Gespräch mit Alexander Heinrich vom ASB über Eindrücke und Herausforderungen während der Corona-Pandemie
Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) wurde 1888 in Berlin gegründet. Auslöser war die dramatische Zunahme von Arbeitsunfällen im Zuge der industriellen Revolution, denen mit Erste-Hilfe-Kursen etwas entgegengesetzt werden sollte. Heutzutage gehört der ASB zu den großen Anbietern in der Altenhilfe, engagiert sich in der Krankenpflege, betreibt deutschlandweit 275 Rettungswachen und ist in den Bereichen Schulsanitätsdienst und Wasserrettung aktiv. Der ASB ist in eigenständigen Regionalverbänden organisiert, der Ortsteil Gesundbrunnen gehört zum ASB Regionalverband Berlin-Nordwest e.V.. Wir sprachen mit Alexander Heinrich vom ASB Berlin-Nordwest über Erfahrungen, Eindrücke und Empfehlungen im Rahmen der Corona-Pandemie.
Wahlkreis-Rundschau: Zu Beginn des ersten Shutdowns im März gründeten sich zahlreiche Initiativen für Nachbarschaftshilfe. Auch der ASB ist mit „ASB hilft“ dabei. Welche Art von Hilfe ist hauptsächlich gefragt? Merken Sie einen Unterschied zwischen dem ersten Shutdown und dem jetzigen zweiten Shutdown?
Alexander Heinrich: Unser Nachbarschaftshilfe-Projekt ASBhilft ist bei der Bevölkerung sehr gut angenommen und nachgefragt worden. Im Projekt bringen wir Menschen, die ihren Alltag aufgrund von Erkrankungen und/oder Quarantäne nicht mehr vollständig selbst bewältigen können mit engagierten Helfenden zusammen. Die Kontaktaufnahme mit uns erfolgt über unsere Homepage www.asbhilft.berlin oder 030 / 62 93 37 59.
Am meisten nachgefragt ist unsere Unterstützung bei der Einkaufshilfe. Die neuen Unterstützungsanfragen im zweiten Shutdown sind etwas geringer. Das liegt unser Einschätzung nach einerseits an der besseren Verfügbarkeit von hochwertigen FFP2-Masken. Andererseits bekommen wir auch mit, dass die Bewohnenden eines Wohnhauses sich untereinander selbst helfen und sprichwörtlich unter die Arme greifen. Das ist schön zu sehen, dass Nachbarschaftshilfe manchmal auch ganz unkompliziert funktionieren kann. Und natürlich sehen wir, dass die Menschen durch den ersten Lockdown und die Aufklärungsarbeit der Regierenden schon Erfahrungswerte und Kontakte haben, die sie generell besser auf den zweiten Lockdown vorbereitet haben.
Der ASB hat eine lange Erfahrung in der Durchführung von Corona-Antigen-Schnelltests. Demnächst sollen diese Tests frei erhältlich zur Selbstanwendung sein. Gute Idee?
Das ist richtig. Wir testen u.a. Mitarbeitende von Firmen der kritischen Infrastruktur wie z.B. Stromversorgern als auch Parlamentsmitglieder im Abgeordnetenhaus von Berlin. Privatpersonen testen wir in unserem Testzentrum in der Gneisenaustraße in Berlin-Kreuzberg. Kurz vor Weihnachten erreichten uns so viele Anfragen, dass wir auch ein temporäres Testzentrum in den Räumen der ASB-Akademie in der Seestraße 121 errichtet hatten. Über Silvester stand sogar zur Sicherheit eine Schnelleinsatzgruppe bereit, welche von Behörden beauftragt werden konnte.
Die Tests werden durch medizinisch ausgebildete Mitarbeitende durchgeführt, welche mittlerweile Tausende Testungen an verschiedenen Einsatzorten durchgeführt haben. Je nach Hersteller des Schnelltests muss dazu ein Abstrich im Nasenrachen- bzw. Rachenraum durchgeführt werden. Bildlich gesprochen muss man mit dem Teststäbchen dorthin, wo die Viren sitzen - das kann von einigen Personen als unangenehm empfunden werden, denn die Viren sitzen oft tiefer als man denkt.
Unserer Meinung nach sind Antigen-Tests natürlich kein Ersatz für PCR-Tests. Allerdings erlauben Antigen-Tests durch ihre gute Verfügbarkeit und schnellen Ergebnisse die Durchführung von regelmäßigen oder serienhaften Abstrichen. Daher begrüßen wir die Ausweitung dieser Point-of-Care-Tests insbesondere in Pflegeeinrichtungen aber auch überall dort, wo es darum geht asymptomatische Träger des Virus zu entdecken und damit Infektionsketten frühzeitig zu durchbrechen. Nur wenn man weiß, dass man infiziert ist, kann man sich auch entsprechend verhalten.
Im Grunde geht es darum die Menschen zu finden, welche bereits infiziert sind, aber noch keine oder nur geringe Symptome zeigen. Personen welche z.B. starken Husten oder Fieber haben, sind mittlerweile so sensibilisiert, dass sie sich selbst eine Quarantäne auferlegen. Auch wenn der ASB Berlin-Nordwest mittlerweile über 30 Mitarbeitende für den Einsatz in Corona-Tests vorhält, möchten wir doch auch die Gelegenheit nutzen und sagen, dass egal ob mit oder ohne Test die AHA-Regeln weiterhin die beste Möglichkeit im Kampf gegen das Virus sind.
Der ASB betreibt seit einigen Wochen das Impfzentrum im Erika-Heß-Eisstadion. Mal abgesehen vom fehlenden Impfstoff: Wie ist die Arbeit angelaufen? Klappt die Organisation?
Die Arbeit ist sehr gut angelaufen. Die Berliner Hilfsorganisationen kümmern sich um den Betriebsablauf im jeweiligen Impfzentrum. Vor der Eröffnung gab es eine intensive Einarbeitung sowie Schulung für die Mitarbeitenden und Freiwilligen. In einem finalen Testlauf vor der Eröffnung, wurde jedes Impfzentrum überprüft.
Vor Ort werden die zu impfenden Personen die ganze Zeit betreut. Das beginnt mit einer obligatorischen Fiebermessung am Eingang bis zur Durchführung durch das im Einbahn-Straßensystem aufgebaute Impfzentrum. Nach der Erstaufklärung wird man in den Impfbereich geführt, wo die abschließende ärztliche Aufklärung sowie die Impfung selbst durchgeführt wird. Danach geht es für 15-30 Minuten in den Beobachtungsbereich, wo sich auch der Erste-Hilfe-Raum mit Sanitäterinnen und Sanitätern des ASB befindet. Im Anschluss geht es wieder hinaus zum Taxi.
Viele Seniorinnen und Senioren haben die Befürchtung, bei der Impfung übergangen zu werden, da sie nicht ohne weiteres die Treppe runterkommen und mit dem Taxi zum Impfzentrum fahren können. Wie könnte aus Sicht des ASB dieser Befürchtung entgegengewirkt werden?
Vor dem Besuch im Impfzentrum wird zuerst über die Telefonhotline der genaue Impftermin festgelegt. Hier bietet sich die Möglichkeit, dass auf etwaige Bewegungseinschränkungen hingewiesen werden kann. Alternativ kann auch der Hausarzt zu Rate gezogen werden. Wir erleben jedoch, dass auch die Taxifahrer_innen stets hilfsbereit sind. Eine Sache, die wir mehrmals am Tag erleben dürfen, ist der tief zufriedene und erleichterte Gesichtsausdruck vieler Seniorinnen und Senioren, wenn sie im Beobachtungsbereich nach der Impfung sitzen. Man merkt richtig wie sie sich über den Impfschutz freuen und Ihnen eine Last von den Schultern genommen wurde.
Eine wichtige Säule des ASB ist das ehrenamtliche Engagement seiner Mitglieder. Wird Ihnen in einer Welle der Solidarität gerade die Bude eingerannt oder bleiben die Freiwilligen eher weg, weil jenseits des professionellen Bereichs im Moment ohnehin nichts läuft? Wie können sich Ehrenamtliche gegenwärtig beim ASB engagieren?
Der Arbeiter-Samariter-Bund fördert ehrenamtliches Engagement wo möglich. Ein Teil der Leistungsfähigkeit jeder Hilfsorganisation kommt durch die freiwilligen Retter, Katastrophenschützer und Ausbilder zustande. Nur mit Hilfe dieser ist es uns möglich unser Hilfsangebot für die Berliner Bevölkerung zu bewerkstelligen. Wir haben gerade mit ASBhilft viele neue Freiwillige für die Nachbarschaftshilfe gewinnen können. Aber auch andere Menschen haben sich gemeldet und möchten sich langfristig in unseren sogenannten Kerngebieten z.B. in der Ersten Hilfe, im Sanitätsdienst oder im Katastrophenschutz engagieren. Oftmals mit dem Ansporn, dass das erlernte Wissen auch im privaten Umfeld von großem Nutzen ist.
Allerdings müssen wir zeitgleich auch auf viele Einsatzkräfte verzichten. Diese sind nämlich beruflich häufig in Krankenhäusern und Rettungsdiensten tätig, was auch uns neben enormen finanziellen Einbußen vor regelmäßige Herausforderungen stellt. Daher nutzen wir aktuell die Zeit und bilden wie wir können unsere Freiwilligen, natürlich unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes, weiter aus. Das geschieht zu einem großen Teil digital. Die Praxisformate werden mit stark reduzierter Teilnehmerzahl sowie FFP2-Masken und Wahrung der AHA-Regeln durchgeführt. Aber es stimmt, viele Veranstaltungen wie z.B. Straßenfeste o.ä. finden zurzeit nicht statt und folglich gibt es für uns, in unserem Kerngebiet, weniger zu tun.
Auf der anderen Seite sind wir felsenfest davon überzeugt, dass wir gemeinsam die aktuelle Zeit überstehen und wir dann wieder zu einem „normaleren“ Leben zurückkehren werden. Und dann werden auch unsere Sanitäterinnen und Sanitäter wieder gebraucht und stehen bereit zu helfen. Solange leben wir weiter in der Lage, schaffen neue Hilfsangebote und bereiten uns vor. Denn auch wenn wir alle zusammen eine weitere Eskalation verhindern können, wollen und haben wir uns vorbereitet und stehen bereit, wenn man uns braucht, eben frei nach unserem Motto, wir helfen hier und jetzt.
Interessierte finden Informationen dazu auf unserer Homepage www.asb-berlin-nordwest.de oder melden sich per E-Mail an freiwillig-aktiv@asb-berlin-nordwest.de.
Vielen Dank für das Gespräch. |